Absurditäten

Ich bin nicht dabei gewesen. Aber es muss schon sehr eigenartig gewesen sein, als bestimmte Personen sich als Herrscher eines bestimmten Gebietes verstanden und König, Herzog oder dergleichen ihre Untertanen hatten. Diese alten Gebietsansprüche haben sich bis in unsere Tage zäh gehalten bis in die Grenzverläufe der deutschen Länder. Die Kirchen stehen dem in nichts nach.

Im 4. Jh. n. Chr. Im Zusammenhang mit der Konstantinischen Wende etablierrten sich die Christen. Zuvor kamen sie in (oft geheimen) Zirkeln zusammen, jetzt konnten sie als Staatsreligion entsprechende kirchliche Herrschaftsbereiche abstecken. Gegenpart des Kaisers wurde der Papst. Dem folgten die Untergliederungen bis in die einzelnen Orte mit ihren Priestern. Mit der Reformation änderten sich die Verhältnisse für die Evangelischen nicht wesentlich. Bekannt wurde für den deuschen Raum die Koppelung von weltlicher Herrschaft und Religion bzw. Konfession durch den Grundsatz: Die Konfession des Herrschenden bestimmte die Konfession der „Untertanen“. Das war im Laufe der Zeit natürlich nicht aufrecht zu erhalten.

Im Emsland wohnten fast nur Katholiken mit ihrem Bischof in Osnabrück. Staatlich gehörte das Emsland zum Königreich Hannover und war deshalb evangelisch. Das Emsland war in der Gegenreformation für die Katholiken zurück erobert worden. Staatsbeamte im Emsland waren aber evangelisch. Durch die Loslösung der Konfession von den Herrschenden und der damit verbundenen Individualisierung mutet uns das heute wie ein Kuriosum der Geschichte an.

Wer Zeit und Lust hat, kann sich ja mal mit dem „Flickenteppeich“ im Land Niedersachsen beschäftigen. Katholischerseits teilen sich drei Bischöfe ihre Gebiete auf: der Bischof von Osnabrück für den großten Teil, der Bischof von Münster hat seinen Einfluss im südlichen ehemaligen Großherzogtum Oldenburg, der Hildesheimer Bischof im Osten Niedersachsens.

Evangelischerseits wird der Landesbischof der Ev.-luth. Landeskirche Hannovers genannt. Aber das Land Hannover gibt es gar nicht mehr. Ein Teil des Landes Niedersachsen hat mit Sitz in Braunschweig einen eigenen Landesbischof, ein anderer Teil mit Sitz in Oldenburg einen eigenen Bischof für das ehemalige Großherzogtum Oldenburg, zu dem früher auch z. B. Birkenfeld in der Eifel gehörten. Das kleine Schaumburg-Lippe hat auch seinen eigenen Landesbischof und über das gesamte Land Niedersachsen (in der Hauptsache entlang der Grenze zu den Niederlanden) existiert die reformierte Kirche.

Wenn jemand von Bayern nach Niedersachsen umsiedelt, muss er sich dann schlau machen, zu welcher Kirche er gehört? Möglicherweise erfahren erst die Angehörigen nach seinem Tod durch die Rechnung der möglicherweise kirchlichen Friedhofsverwaltung, was Sache war.

Jemand, dem es nach dem Zweiten Weltkrieg z. B. in das Emsland und dort in den Ort Wachendorf verschlagen hatte, war wohl sehr erstaunt, dass der Superintendent aus Meppen mit dem Fahrrad anreiste, um dort in der Schule für die Evangelischen (es gab insgesamt nur ganz wenige!) den Religionsunterricht zu erteilen!

Ähnlich ergeht dem, der seinen Wohnsitz in der Gemeinde Geeste nimmt. Ist er römisch-katholisch, gehört er der weltweiten römisch-katholischen Kirche an, hier dem Bischof von Osnabrück. Als Evangelischer muss er sich zuerst einmal entscheiden, ob er sich zur refomierten Kirche in Meppen hält oder ob er sich als evangelisch-lutherisch orientieren will. Zur Ev.-luth. Kirchengemeinde Dalum zählt das Gebiet der politischen Gemeinde Geeste, aber ohne den Ortsteil Varloh und ohne die Gebiete östlich vom Dortmund-Ems-Kanal. Aber eigenartigerweise gehört der Lingener Ortsteil Wachendorf zu Dalum und auch das Wietmarscher Gebiet Schwartenpohl. Varloh und Osterbrock gehören übrigens zu Meppen-Bethlehem, Bramhar zu Lingen-Brögbern. Aber wer soll da noch durchblicken?


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